Ali F
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Ich war zwei Jahre dort. Leider war die Maßnahme mehr als enttäuschend: Bereits im ersten Jahr zeigte sich der massive Personalmangel vor Ort. Da der medizinische Teil der Reha-Maßnahme – so erweckte es den Anschein – außerstande war, einen angemessenen Deckungsbeitrag zur Aufrechterhaltung der Maßnahme durch offenbar zu knapp bemessene Gebührensätze der Kostenträge zu erzielen, stampfte man offensichtlich von heute auf morgen eine berufliche Anschlussmaßnahme aus dem Boden. Die Therapie im medizinischen Teil der RPK-Maßnahme erschöpfte sich hauptsächlich in Hausarbeit, wie den Putzdienstagnachmittag und anderen Haushaltsdiensten, sowie handwerklicher Arbeit. Psychiatrische Therapieangebote gab es hauptsächlich montag- und donnerstagnachmittags, einmal in der Woche auch ein Einzelgespräch mit einer Psychiaterin von zirka einer halben Stunde sowie einer halben Stunde mit einem, in meinen Augen, wenig qualifizierten Sozialpädagogen. Wurde ein Mitarbeiter krank, fielen die Gespräche entweder ganz aus oder erstreckten sich oftmals nur über zehn Minuten. Eine adäquate Therapie gestaltete sich hierdurch relativ schwierig. Kritik von Patienten oder Verbesserungsvorschläge wurden oft als Angriffe gewertet oder auf das mangelnde Reflexionsvermögen derselben zurückgeführt, schließlich müsste man auch im normalen Leben mit schwierigen Situationen zurechtkommen. Hilfe durch die anwesenden Sozialarbeiter fand entweder selten im angemessen Umfang statt oder überforderte diese oftmals. Beratungen zum Sozialrecht fielen nach meinem Kenntnisstand aufgrund von Wissenslücken oftmals zulasten der Betroffenen aus. Der berufliche Teil konzentrierte sich vorwiegend auf die Vorbereitung von Referaten, ominöse Leseübungen auf Grundschulniveau, einen Therapienachmittag von 75 Minuten sowie das Jobcoaching, das die Aufgabe hatte, den Rehabilitanden Wissen zu Arbeitsrecht und Arbeitswelt zu vermitteln sowie bei der Praktiumssuche und dem allgemeinen Bewerbungsprozess zu unterstützen. Hilfestellungen der Sozialpädagogen beim Schreiben einer Bewerbung zeigten häufig aber auf, dass die sogenannten Sozialpädagogen – bis auf eine Ausnahme – selbst zuweilen Probleme mit der Orthografie oder einfacher Mathematik hatten, so dass sich diese entweder oftmals selbst erst nochmals langwierig einarbeiten mussten oder stark divergierende Aussagen zu der Thematik trafen. Ziel des beruflichen Teils der Maßnahme ist es, ein Praktikum bei einer externen Stelle zu finden, um eine Belastungserprobung durchzuführen. Da Tübingen jedoch eine stark frequentierte Studentenstadt ist, gestaltete sich das Finden von Praktika leider oftmals sehr schwierig, so dass man trotz zahlreicher Bemühungen mitunter frustriert zurückblieb. Bei vielen Teilnehmern erlebte ich am Ende der Reha, dass diese mit dem Finden einer anschließenden Perspektive zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt entweder allein gelassen wurden oder diese nur dank eigner Bemühungen erlangten. Hilfe durch die Mitarbeiter erhielten nach meinem Kenntnisstand nur die wenigsten Rehabilitanden. Viele waren verzweifelt, da sie sehr besorgt darüber waren, am Ende der Maßnahme weder eine Umschulung noch eine weiterführende institutionelle Eingliederungsmaßnahme gefunden zu haben. Auch bei mir war das trotz anderslautender Zusagen so.