Silvia Jacob
5/5
Vor einem Jahr habe ich viereinhalb Monate den Aufenthalt in dieser Einrichtung genossen. Jetzt wird es langsam Zeit, meine Bewertung abzugeben.
Lage: Wunderbar abgelegen, viel Natur. Das kam mir sehr entgegen, da ich selbst aus dem "outback" komme.
Haus: Charme einer Jugendherberge in den 1990er Jahren. Angenehme Atmosphäre, angemessen eingerichtet, sauber. Ich hatte ein Einzelzimmer im Bungalow und muss sagen, dass ich mich in den vergleichsweise wenigen Quadratmetern sehr wohl gefühlt habe.
Verpflegung: Frühstück und Abendessen waren reichhaltig und gut. Es gab immer Rohkost und Obst als Ergänzung. Die warmen Mahlzeiten allerdings waren sch....lecht. Fettig, kohlehydrat- und schweinefleischlastig und nicht sehr schmackhaft (und ich bin keine anspruchsvolle Esserin). Das geht auch preiswert besser. Da war das Salatbuffet immer hilfreich ... und der Grund, warum ich in der Zeit nicht zugenommen habe. Und es gibt noch die Cafeteria, die zu bestimmten Zeiten GUTEN Kaffee, Süßes und Salziges sowie Limonaden und Saft zum Erwerb anbietet.
Personal: Immer freundlich und hilfsbereit.
Medizinische Betreuung: Gut. Notwendige Arztbesuche wurden von der Einrichtung organisiert inkl. Shuttle Service.
Die Therapeut*innen und die Therapie: Menschlich sehr zugewandt und fachlich gut. Egal ob Einzelgespräch oder Therapie in der Bezugs-/Großgruppe: Ich habe viel gelernt über mich, meine/unsere Erkrankung und das nötige Handwerkszeug für die Gestaltung meines nüchternen Lebens erhalten. In der Arbeitstherapie (bei mir war es die Cafeteria) habe ich mich supergut gefühlt - und ich vermisse die Tätigkeit sogar ein wenig. Die Ergotherapie bot allerdings für mich wenig Anreize, da ich mir nicht gern die Hände schmutzig mache (Speckstein, Ton, Korbflechten - Traumata aus der Schulzeit). Ich habe mich daher für das Zeichnen entschieden und sehr viel Befriedigung aus dieser Beschäftigung gezogen.
GANZ WICHTIG: Mitpatient*innen - 70 % der Therapie besteht, nach meiner Erfahrung, aus den Gesprächen im Hof und bei den Mahlzeiten. Der Austausch unter Mitbetroffenen kann enorm weiterhelfen.
Selbsthilfegruppen: Nutzt das Angebot. Ihr könnt in aller Ruhe testen, welche Gruppe für euch passt. Der Besuch einer SHG nach der "Auswilderung" kann Leben retten.
Fazit: NIEMAND KOMMT GEHEILT AUS DER THERAPIE! Die Erkrankung im Griff zu haben, bedeutet tägliche Arbeit und Selbstreflexion. Ich weiß wovon ich rede, da ich nach zwanzigjähriger Abstinenz rückfällig geworden bin - und zwar gründlich (10 Jahre + gesoffen). Mir hilft vor allem die ambulante Nachsorge und der regelmäßige Besuch meiner SHG. Weiterhin gehe ich offen mit meiner Alkoholsucht um, denn das hilft m. E. gegen die Stigmatisierung und schärft das Bewusstsein bei Nichtbetroffenen für die Erkrankung (niemand diskrimiert Diabetiker, an Krebs erkrankte ...). Und: Keiner muss sich für eine Erkrankung schämen.
Mein Tipp: Redet, sucht Hilfe, seid laut! Niemand muss da allein durch! Ich habe es geschafft, bis jetzt anderthalb Jahre trocken zu bleiben.
Ich wünsche allen, die den Weg der Nüchternheit gehen wollen, viel Kraft, Erfolg und ein erfülltes Leben!